Interview mit Barbara Ludwig und Antje Strathmann-Cisse
Liebe Antje, liebe Barbara, wie seid ihr auf den Namen „Mutmalerinnen“ gekommen?
Barbara: Wir machen seit vielen Jahren Kunstprojekte mit unterschiedlichen Zielgruppen, aber unsere gemeinsame Arbeit als „Mutmalerinnen“ hat mit Geflüchteten in einer Gemeinschaftsunterkunft angefangen. Dort haben wir festgestellt, wie stärkend sich das Malen auf die oft schwierigen Lebenssituationen der Menschen auswirkt.
Der Name „Mutmalerinnen“ verrät, was ihr mit euren Projekten erreichen möchtet. Wie könnt ihr Menschen Mut machen?
Antje: Durch unsere Erfahrungen im Bereich Traumpädagogik und Kunsttherapie sind wir in der Lage, auf einen Erfahrungsschatz zurückzugreifen und Konzepte anzubieten, die die Menschen stärken und ihnen in oft sehr schwierigen Lebenssituationen Mut zu machen.
In welchem Rahmen finden eure Projekte statt?
Barbara: Am Anfang waren unsere gemeinsamen Kunstprojekte ehrenamtlich beim DKR, und dann ist uns bewusst geworden, wie groß der Bedarf an Unterstützung und stärkenden Projekten ist. Daraufhin haben wir vor drei Jahren beschlossen, uns selbstständig zu machen und arbeiten seitdem an verschiedenen Schulen, mit „Streetwork Friedrichshafen“, mit Einrichtungen der Jugendhilfe und mit privaten Organisationen. Es gibt auch offene Angebote wie z.B. „Malen im Städtle“ in Markdorf.
Wie kommen eure Projekte zustande?
Antje: Aufgrund unserer langjährigen Arbeit sind Schulen und soziale Träger auf uns aufmerksam geworden. Und wir sind auch im Internet auf unserer Homepage zu finden.
Wie kam das Projekt „Mein sicherer Ort“ in der Sommertalschule zustande?
Antje: Ich habe schon bereits in früheren Jahren mit der Schulsozialarbeit der Sommertalschule Projekte umgesetzt und wurde gemeinsam mit meiner Kollegin Barbara am Ende des letzten Schuljahres von der Schulsozialarbeiterin Andrea Lebek und der Klassenlehrerin der Vorbereitungsklasse, Ingrid Maurer, angefragt. Ein Aspekt des Projektes war, die VKL und ihre Schülerinnen und Schüler sichtbar zu machen und ihnen eine Plattform für ihre Themen zu bieten.
Welche Erfahrungen habt ihr mit den Schülerinnen und Schülern der VKL gemacht?
Barbara: Es war einfach toll, wie die Jugendlichen sich auf das Thema eingelassen haben, sich geöffnet haben und dann spielerisch sich getraut haben, zu malen und zu bauen.
Antje: Sie haben ewig gebaut. Sie haben gemalt und gebaut, was sie stärkt.
Barbara: Du kommst als Fremde in eine Klasse und bietest etwas an, was völlig weg ist vom Lehrplan. Das öffnet einen Raum, Persönliches auszudrücken. Es war toll zu sehen, wie sich die Kinder und Jugendlichen geöffnet haben.
Wie habt ihr die Schülerinnen und Schüler dazu gebracht, sich so zu öffnen und mitzumachen?
Barbara: Wir haben angefangen mit einer Imagination, das ist eine Übung aus der Trauma-Pädagogik und Trauma-Therapie. Der nächste Schritt war die bildnerische Darstellung eines sicheren Ortes und dann kam die Umsetzung mit Ton. So war es den Schülerinnen und Schülern möglich, durch das Setting der Trauma-Pädagogik und über kunsttherapeutische Methoden an einem sicheren Ort ihren sicheren Ort zu bauen.
Antje: Wir haben die Kunst als Sprache genutzt, damit sich die Jugendlichen ausdrücken können, auch wenn sie nicht gut oder kaum Deutsch können. Und jetzt steht das Kunstwerk ausgestellt im Foyer der Sommertalschule und kann angeschaut werden. So hat die VKL einen Platz mittendrin in eurer Schule gefunden.
Das Interview führte Ingrid Maurer
Andrea Lebek und Ingrid Maurer bedanken sich bei allen, die dieses wunderschöne Projekt in unserer Schule ermöglicht haben.
Die SchülerInnen der Vorbereitungsklasse der Sommertalschule durften am Freitag, den 26.01.2024 die Stadtbücherei Meersburg besuchen und erhielten eine sehr informative Führung. Frau Fleischmann, die Leiterin der Stadtbücherei, führte die SchülerInnen durch die Räumlichkeiten der Stadtbücherei und erklärte, wo welche Literaturgenres zu finden sind. Vor allem Comics stießen auf großes Interesse bei einigen SchülerInnen. Das breite Angebot bietet, auch für Jugendliche mit weniger Deutschkenntnissen, auf unterschiedlichen Kompetenzniveaus, verschiedene Möglichkeiten, mit Literatur und auch anderen Medien, wie Hörbüchern oder Filmen in Kontakt zu kommen. Frau Fleischmann erläuterte den SchülerInnen das Leihprinzip der Stadtbücherei und erstellte für einige direkt Bibliotheksausweise. So konnten von direkt die ersten Bücher ausgeliehen werden. Auch die VKL-Klasse kann über dieses tolle Angebot immer wieder neue Bücher leihweise in ihren Fundus nehmen und damit von spannendem und interessenorientiertem Lesestoff profitieren. Ein großer Dank an Frau Fleischmann für den freundlichen Empfang und die tolle Einführung in die Stadtbücherei Meersburg.
Oktober 2021 im „Grünen Klassenzimmer“ – Landesgartenschau: Thema Wasser
Besonders gut kann Sprache spielend erworben werden. Am Ende des Schuljahres 2020/21 übten VKL-SchülerInnen ein kleines Theaterstück zu dem „Easy Reader“ mit dem Titel „Das Lasagne-Desaster“ ein und führten es – coronabedingt - nur einem kleinen Publikum vor.
Die Vorbereitungsklasse – ein Lernort für Migrantinnen und Migranten
Die Sommertalschule hat, wie viele andere Schulen, eine Vorbereitungsklasse - kurz VKL genannt. In dieser Klasse lernen Schülerinnen und Schüler zwischen 10 und 16 Jahren vor allem Deutsch und Mathematik, um möglichst bald in Regelklassen am Unterricht teilnehmen zu können und einen Schulabschluss zu machen. Das dauert mindestens ein bis zwei Jahre. Wie lange jemand braucht, hängt von vielen Faktoren ab. Die Voraussetzungen, die die Kinder und Jugendlichen mitbringen, sind höchst unterschiedlich.
Gründe für Flucht und Migration
Die Gründe dafür, dass die Kinder und Jugendlichen hier sind, sind verschieden. Sie sind vor Kriegen oder politischer Verfolgung geflüchtet – in der Ukraine, in Afghanistan, im Irak, im Iran, in Palästina, in Syrien, in der Türkei. Oder sie kommen aus EU-Ländern wie Ungarn, Rumänien, Polen, Italien, Spanien, Niederlande, oder aus Ländern wie dem Kosovo, Bosnien, Serbien, Argentinien, Großbritannien. Ihre Eltern haben in Meersburg und Umgebung eine Arbeitsstelle gefunden. Man nennt sie Arbeitsmigranten.
Schulbiographien in den Herkunftsländern
Die Schulbiographien der Kinder und Jugendlichen sind höchst unterschiedlich. Manche konnten durch die lange Flucht nur zwei Jahre Schule in ihrem Heimatland besuchen oder waren gar nicht in der Schule - sie kennen den Schulalltag mit seinen Regeln und Abläufen nicht. Andere waren in ihrer Heimat ganz regulär in der Schule und bringen zum Teil eine sehr gute Schulbildung mit. Wer Englisch gelernt hat, tut sich beim Deutschlernen und auch beim Übergang in die Regelklasse viel leichter.
Ankommen
Für die Schülerinnen und Schüler in der Vorbereitungsklasse ist das Ankommen in einer neuen Umgebung, in einem anderen Land mit einer anderen Kultur oft sehr schwierig. Vor allem, wenn sie flüchten mussten. Auch die Freunde, die Verwandten und manchmal auch die Eltern zurückzulassen ist nicht leicht.
In der Vorbereitungsklasse sollen sich die Schülerinnen und Schüler mit all den Anforderungen zurechtfinden und sich gut aufgenommen fühlen.
Die VKL im Juli 2021 (linkes Bild) und im November 2021 (rechtes Bild)